Bau der Pauluskirche in Vaihingen
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Pauluskirche, zwischen 1920-1934
Eine Friedensaktion mitten im Krieg
Am 20. September hat unsere Gemeinde in Vaihingen a. F. Ihre neuerbaute Pauluskapelle eingeweiht. Es ist ein einfacher, netter Bau, vorgesehen für spätere Vergrößerung. Besonders das Innere der Kapelle macht, seiner vornehmen, gediegenen Einfachheit wegen, einen anmutigen Eindruck. Jeder Besucher wird sich wohl fühlen darin. Es ist Raum für etwa 200 Personen. Anschließend an den Saal befinden sich drei kleine Zimmer und eine Küche. Mit dieser Einrichtung ist der Gemeinde ein Heim gegeben, das für eine zeitlang ihren Bedürfnissen genügt.
Der Einweihungsgottesdienst begann nachmittags um 3 Uhr. Sechs Prediger und die gemischten Chöre von Stuttgart, Möhringen und Sindelfingen waren zur Einweihung gekommen. Zu unserer aller Freude hatte zwei Tage vorher unser verehrter Bischof Dr. Nuelsen seinen Besuch für Stuttgart angemeldet. Natürlich ging er mit nach Vaihingen und hielt eine herrliche Festpredigt über 2. Kor 6, 16: „Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes.“ Eine freudige Erinnerung wird es bleiben, daß er selbst den Einweihungsakt vornahm.
Die Brüder Ulrich und Möller hielten Ansprachen. Dr. Möller, bis vor kurzem Aufsichtsprediger des Bezirks, gab einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung des Werkes in Vaihingen, wobei er betonte, wie gering die Sache angefangen habe, wie wenig versprechend sie eine zeitlang war und wie nun durch Gottes Segen und die treue Arbeit seiner Knechte und Kinder die Gemeinde so gewachsen sei, daß die Erbauung der Kapelle möglich und nötig wurde.
(aus: Der Evangelist, 1914)
100 Jahre Pauluskirche - 100 Jahre Erster Weltkrieg
Als die Pauluskirche 1914 eingeweiht wurde, tobte bereits der Erste Weltkrieg. Für die Methodisten eine schwierige Lage: Einerseits wurzelte die methodistische Kirche in England bzw. den USA – der Methodismus war international. Andererseits wollte man Patriot sein und sich nicht als Vaterlandsverräter verunglimpfen lassen.
Zur Einweihung der Kapelle schrieb der Evangelist 1914 noch sehr euphorisch über den siegreichen Kriegsbeginn:
„Besondere Freude machte es der Gemeinde, ihren Prediger, Otto Breunig, der als Unteroffizier der Reserve mit in den Krieg gezogen war und mehrere heiße, siegreiche Gefechte mitgemacht hat, in ihrer Mitte zu haben. Er war wenige Tage zuvor als Verwundeter zurückgekommen und machte begeisternde Mitteilungen vom Schlachtfeld, wobei er in dankbaren Worten Gottes gnädige Hilfe pries. Er ermahnte die Gemeinde auch im neuen Gotteshaus betend und fürsorgend unsers tapferen Heeres und der heldenmütigen Flotte zu gedenken.“
„Längere Zeit fragten wir uns, ob wir die Kapelle jetzt einweihen sollten, wir fürchteten, es fehle die rechte Stimmung dafür. Nun hat es Gott durch etliche glückliche Umstände so geführt, dass es ein Tag großer Freude und innerer Erhebung und Stärkung wurde. Ihm sei Dank dafür!“
Doch der Krieg brachte bald Opfer mit sich:
„Im Felde gefallen ist Otto Breunig [...] der im Mai 1917 wieder ins Feld mußte und zwar mit der tiefen Ahnung, nicht wiederkehren zu dürfen. Er erlitt den Heldentod bei der ersten diesjährigen Offensive in Flandern (Karfreitag 1918). Bedeutende Tatkraft und Fähigkeiten hätten ihn einen erfolgreichen Prediger werden lassen. Der Verlust ist groß für die Lieben Seinen und die Kirche. " (23. Süddeutsche jährliche Konferenz 1918)
Auch die Gemeindearbeit litt:
„Der Großbezirk Stuttgart leidet am allermeisten unter den durch den Krieg geschaffenen Verhältnissen. Der strategische Gedanke, unter einem Aufsichtsprediger noch zwei oder drei junge Prediger in die ausgedehnte Arbeit zu weisen, hatte für Friedensverhältnisse verlockende Aussicht auf Erfolg, die sich im Krieg nicht verwirklichen konnte. Was für eine Prüfung es für den unter uns bewährten und erfolgreichen Aufsichtsprediger sein muß, wiederholt eine beachtliche Abnahme von Mitgliedern berichten zu müssen – in diesem Jahr 38 -können wir ahnen!"(23. SJK 1918)
Innenansicht Pauluskirche nach dem Umbau
Baubericht des Kapellenan- und Umbaus 1923
Bei der im Jahre 1914 erbauten Kapelle war nur eine kleine Wohnung vorgesehen. Als Vaihingen im Jahre 1921 von Stuttgart getrennt und selbst Bezirk wurde, reichte die Wohnung für einen verheirateten Prediger nicht mehr aus; auch hatte sich die Gemeinde sehr gut entwickelt, sodaß der Predigtsaal auch zu klein wurde. Aus diesen Gründen mußte man an eine Erweiterung des Baues herangehen. Der Platz war ziemlich beschränkt; es blieben in der Längsrichtung des Baus nur 4,24m bis zur Nachbargrenze zur Bebauung übrig. Dieser Teil wurde ganz unterkellert und überbaut. Der Saal konnte in der Tiefe um 3,40m erweitert werden. Der übrige Teil konnte für einen kleinen Saal ausgebaut werden mit besonderem Eingang und anschließender kleiner Wasch- und Teeküche. Der vordere Teil wurde zu einem vollen Wohngeschoß aufgebaut mit eigenem Eingang und abgeschlossener Treppe. Es ergaben sich oben vier geräumige Zimmer mit Küche, Balkon und Speise, sowie im Dachgeschoß noch zwei kleine Zimmer.
Am 24. Februar wurden die vom Unterzeichneten gefertigten Baupläne in Vaihingen eingereicht und gleich genehmigt, sodaß am 5. März mit dem Erdaushub begonnen werden konnte. […] Die Arbeiten schritten trotz vielerlei Schwierigkeiten gut vorwärts, sodaß am 14. August die behördliche Bauabnahme erfolgen konnte. Der Gemeindeprediger Karl Eisele hatte am 30. Juni in Zuffenhausen Hochzeit; er bezog die neue Wohnung am 13. August und holte 3 Tage danach seine junge Frau mit ihrer Mutter in sein neues Haus. Der Maler beendete seine Arbeiten am 30. August, sodaß das Haus mit den erweiterten Gottesdienstlichen Räumen am 2. September (1923) durch den Distriktsvorsteher, Herrn R. Wobith eingeweiht werden konnte. Die Bauzeit betrug also 6 Monate. Die Arbeiten wurden zum größten Teil von Vaihinger Geschäften ausgeführt. […] Zu Beginn des Baues war in unserer Markwährung eine Zeitlang eine Stabilität eingetreten; doch gegen den Sommer hin ging es wieder stark abwärts und im Herbst wurde die Entwertung unseres Zahlungsmittels katastrophal. […] Zu Beginn des Baues Anfang März 23 betrug die Arbeitsstunde, wie sie der Unternehmer berechnete, 1.425 M. Am 30. August wurde die Malerstunde 800.000 M in Rechnung gesetzt. […] Zu dieser Zeit des raschen Währungsverfalles, wo gewissenlose Bauherrn die Handwerker verarmen ließen und denselben durch verspätetes Zahlen ihrer Rechnungen kaum noch Pfennigwerte gaben, war die Verantwortung in Bezug auf Bezahlen auch eine größere. […] Ich habe versucht die Handwerker dadurch vor Schaden zu schützen, daß ich die Rechnungen gleich anweisen ließ. Am Tage meiner Baubesuche (wöchentlich 2 mal) erbat ich vom Schatzmeister Herrn Wobith den Scheck, ließ denselben gleich auf der Bank auswechseln und brachte den Leuten gleich das Geld. Ich konnte dadurch auch Anforderungen an die Leistungen stellen und erreichen.
Typisch für oben angeführtes sind die Abrechnungszahlen Pos. 13,18 und 19. Flaschner Stäbler, ein alter ehrlicher Handwerker, schickte seine letzte Rechnung verspätet; er bat um eine Zulage; da der wirkliche Wert kaum noch ein Goldpfennig ausgemacht hätte, schickte ich die Rechnung zurück und ersuchte, die heute gültigen Preise einzusetzen. Der Mann wußte sich scheint's nicht zu helfen, erst als längst die Goldmarkgrundlage eingeführt war, kam die Rechnung wieder zur Begleichung. Deshalb die hohe Summe in Papiermark zum Schluß. Tapezierer Elsäßer, ebenfalls ein älterer fleißiger Mann, hat gut 3 Wochen gearbeitet im Haus; seine Rechnung wurde gleich nach Einlauf bezahlt. Der wirkliche Wert des erhaltenen wird kaum für Ersatz des verbrauchten Kleisters ausreichen. Ich habe dieses der Gemeinde in Vaihingen mitgeteilt zur Berücksichtigung. Obige Hinweise mögen zur Erklärung der Abrechnung dienen.
Weiter geht es mit Wachstum während der Weimarer Republik 1919-1933 ...